«Ich war nur einmal im Wald und hatte gleich FSME.»
Stephan Zwahlen hatte ausgesprochenes Pech. Nachdem er 2020 von Wollerau nach Zollikon nahe bei Zürich gezogen war und gerade erst anfing, die Gegend zu erkunden, fing er sich im Küsnachter Tobel eine Zecke ein.
Damals wusste er nicht, dass dieses Ausflugsziel als Hochrisikogebiet für Frühsommer-Meningo-Enzephalitis gilt, kurz FSME. Zwei Tage später entdeckte er die Zecke und liess sie sofort von einem Arzt entfernen. Doch da zunächst nichts passierte, rückte das Thema wieder in den Hintergrund.
Erst Kopf- und Gliederschmerzen, dann Seh- und Sprechstörungen
Die Grippesymptome, die nach vier Tagen auftraten, brachte der Arzt – ein Zeckenexperte – nicht mit dem Zeckenstich in Zusammenhang, zumal gleichzeitig leichte Erkältungssymptome vorlagen. Nach einer Woche ging es jedoch von vorne los, nur dieses Mal begleitet von hohem Fieber und massiven Kopfschmerzen. Als Stephan Zwahlen Tags darauf plötzlich doppelt sah, kaum mehr sprechen konnte und Halluzinationen bekam, brachte ihn sein Schwiegervater in die Notaufnahme der Hirslanden Klinik.
Schwerer Verlauf mit Lähmungen
Von der ersten Woche im Spital weiss Stephan Zwahlen nicht mehr viel, er hat fast nur geschlafen und muss sich auf Erzählungen seiner Frau stützen: Es ging zunächst darum, die Verdachtsdiagnose FSME zu erhärten. In der Regel treten Grippesymptome frühestens eine Woche nach einem Zeckenstich auf. Der Verdacht auf FSME lag trotzdem nahe. Dem Patienten wurde daher Cortison verabreicht, worauf er gut reagierte. Doch es kamen Lähmungen hinzu und sein geistiger sowie körperlicher Zustand verschlechterte sich stark. Erst später erfuhr er, wie schlimm es um ihn stand: Wenn er überleben würde, so die Annahme der Ärzte, dann wohl mit bleibenden Schäden und ungewisser Arbeitsfähigkeit.
Schmerzen im ganzen Körper
Die zweite Woche war von «höllischen Schmerzen» in Kopf, Nacken und Wirbelsäule dominiert, wie Stephan Zwahlen erzählt: «Das waren die normalen Symptome der Hirnentzündung, die durch die FSME verursacht wurden. Neben den Hirnhäuten waren bei mir auch die Nervenwurzeln stark betroffen. Die Ärzte sagten, dass der Zustand einige Wochen andauern könne – die Schmerzen strahlten vom Rücken in den ganzen Körper aus und waren kaum auszuhalten.»
Zur Schmerzlinderung bekam er Opiate und Morphine gespritzt, auch Massagen halfen teilweise. «Dann war geplant, dass ich bald in die Clinic Bad Ragaz überführt würde. Aber ich war noch zu schwach. Ich dachte, sämtliche Muskeln seien einfach weg. Ich konnte kaum gehen, brauchte rund um die Uhr Pflege und war permanent müde», so Stephan Zwahlen.
150 Therapien in viereinhalb Wochen
Glücklicherweise ging es stetig aufwärts und Stephan Zwahlen konnte nach zwei Wochen Akutspital nach Bad Ragaz überstellt werden. «Ich war noch immer sehr müde; beim Eintrittsgespräch in der Rehaklinik bin ich eingeschlafen.» Und auch die Schmerzen blieben noch eine ganze Weile: «Ich bekam weiterhin Medikamente, trotzdem kostete jede Bewegung Überwindung.»
Stephan Zwahlen absolvierte fünf bis sechs Einheiten pro Tag in der Ergo-, Physio- und Wassertherapie, in der Massage sowie in der Sprachtherapie und Neuropsychologie: In den viereinhalb Wochen seines Aufenthalts kam er auf stolze 150 Therapieeinheiten.
«Ich hätte mich fast impfen lassen»
Stephan Zwahlen wollte vom Chefarzt Neurologie, Dr. Serafin Beer, wissen, ob er jetzt immun gegen FSME sei. «Dr. Beer meinte, ich hätte jetzt vermutlich sogar einen besseren Schutz, als wenn ich geimpft wäre. Den Umweg über die Krankheit würde ich aber niemandem empfehlen…» Und zu seinem Pech sagt Zwahlen: «Es ist im Wald passiert – und ich gehe fast nie in den Wald.»
Trotzdem wollte er sich ein Jahr zuvor noch gegen FSME impfen lassen. Es kam nur nicht dazu, weil der Zeitpunkt nicht ideal war. Denn die Grundimmunisierung wird am besten im Winter gemacht. Später kamen andere Dinge dazwischen – und er schob die Impfung auf die lange Bank.
Heute fühlt sich Stephan Zwahlen wieder sehr gut; bis auf zwei Finger, die er noch nicht vollständig wieder bewegen kann. «Mit der Reha in der Clinic Bad Ragaz war ich sehr zufrieden, die täglichen Bemühungen haben sich gelohnt. Ich bin wirklich dankbar, dass mein Gehirn und mein Körper wieder einwandfrei funktionieren. Zu grossem Dank verpflichtet bin ich auch den Ärzten, Therapeuten und Pflegenden für deren grossartige und geduldige Unterstützung!»
Zur Person Dr. Stephan A. Zwahlen ist 42 Jahre alt und wohnt in Zollikon. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder: eine 3-jährige und eine 1-jährige Tochter. Beruflich ist Zwahlen als CEO einer Zürcher Privatbank tätig. Seine Arbeit konnte er eine Woche nach Beendigung seines Reha-Aufenthaltes mit einem «Therapeutischen Arbeitsversuch» wieder aufnehmen, um anschliessend schrittweise zum alten Pensum zurückzukehren.
Statement des behandelnden Arztes
«Wir haben schon viele FSME- Patienten in unseren Kliniken behandelt. Stephan Zwahlen zeigte das ganze Spektrum der möglichen neurologischen Symptome und hat glücklicherweise innerhalb einiger Wochen einen schlussendlich sehr günstigen Verlauf gezeigt. Dies ist leider nicht bei allen FSME-Patienten der Fall; deshalb gilt auch für dieses Jahr: FSME-Impfung nicht aufschieben!»
Dr. med. Serafin Beer
Chefarzt Neurologische Rehabilitation, Clinic Bad Ragaz
Stv. Chefarzt Neurologie, Rehazentrum Valens
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