Rund 43 500 neue Krebsfälle gibt es in der Schweiz laut Zahlen der Krebsliga pro Jahr. Doch kann man einer Krebserkrankung vorbeugen und welche Rolle spielt dabei die Ernährung? Wie sieht die optimale Ernährung für Betroffene aus? Oliver Schlatter ist Teamleiter der Ernährungsberatung in der Klinik Gais und hat uns diese Fragen beantwortet.
Prävention
«Man kann eine Krebserkrankung mit der richtigen Ernährung nicht verhindern, aber mit der falschen Ernährung viel Schaden anrichten», so Oliver Schlatter. Die Ernährung ist einer von diversen Faktoren, die Einfluss auf das Risiko einer Krebserkrankung haben. Die Gene und Hormone, aber auch Schadstoffe in der Umwelt wie beispielsweise Chemikalien, Viren oder die UV-Strahlung der Sonne können krebserregend wirken. Gerade bei Brustkrebs spielt die Genetik eine zentrale Rolle, weshalb beim Verdacht auf Vererbung der Krankheit Vorsorgeuntersuchungen wichtig sind.
Mediterrane Ernährung als Basis
Sowohl zur Vorbeugung gegen Krebs als auch gegen viele andere Krankheiten ist die mediterrane Ernährung zu empfehlen. Sie zeichnet sich durch grosse Mengen an Gemüse und Obst, Hülsenfrüchten und einen moderaten Fleisch- und Fischkonsum aus, schliesst jedoch keine Lebensmittel aus. Vor allem frische und unverarbeitete Lebensmittel nehmen in der mediterranen Ernährung einen grossen Platz ein, wobei lokale Produkte bevorzugt werden, da im Ausland andere Gesetze bezüglich Schadstoffen gelten können. Alternativ können Sie Bio-Produkte einkaufen, da bei deren Produktion weniger Pestizide eingesetzt werden.
Richtige Lebensmittellagerung und Zubereitung
Nicht nur die Wahl der Lebensmittel ist für eine gesundheitsfördernde Ernährung von Bedeutung, sondern auch die richtige Lagerung und Zubereitung. Dabei gibt es einige einfache Tipps, die Sie in Ihrer Küche umsetzen können:
- Um die Belastung durch Schadstoffe und Pestizide zu reduzieren, empfiehlt es sich, Früchte und Gemüse vor dem Gebrauch zu waschen.
- Achten Sie auf eine sachgerechte Lagerung der Lebensmittel und entsorgen Sie Lebensmittel, die Schimmel angesetzt haben, denn Rausschneiden reicht bei Schimmel nicht.
- Zubereitungsarten mit hohen Temperaturen wie Frittieren und Grillieren sollten vermieden werden – versuchen Sie Lebensmittel stattdessen zu dämpfen oder zu garen. Durch den Verzicht auf hohe Temperaturen reduzieren Sie gleichzeitig das Risiko von angebrannten oder verbrannten Lebensmitteln. Diese gelten als krebserregend, weshalb verkohlte Stellen grosszügig weggeschnitten werden sollten.
- Achten Sie beim Kochen zudem auf einen sparsamen Einsatz von Salz. Ein dauerhaft hoher Salzkonsum kann zu Bluthochdruck und dies wiederum zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen.
Körperliche Aktivität
Oliver Schlatter betont im Zusammenhang mit einer gesunden Ernährung zudem die Wichtigkeit von ausreichender Bewegung. Da das Körpergewicht nicht nur mit der Ernährung, sondern auch durch körperliche Aktivität beeinflusst werden kann, sind Sport und Bewegung bei der Gesundheitsförderung ebenfalls bedeutungsvoll. Denn starkes Übergewicht, ob durch Ernährung, Bewegungsarmut oder andere Gründe verursacht, hat einen negativen Einfluss auf die Gesundheit und erhöht das Risiko für verschiedene Krebsarten.
Ernährung bei Krebs
Eine Krebserkrankung und die damit verbundenen Therapien haben oft Begleiterkrankungen wie Diabetes, Niereninsuffizienz, Gewichtsverlust oder -zunahme zur Folge. Jede Krebsart und -therapie kann sich unterschiedlich auf Patientinnen und Patienten auswirken. Als Ernährungsgrundlage für Patientinnen und Patienten mit onkologischen Erkrankungen bleibt die mediterrane Ernährung bestehen. Jedoch muss bei Betroffenen individuell geprüft werden, in welcher Phase der Erkrankung sie sich befinden und was sie und ihr Körper brauchen.
Es gibt keine Anti-Krebs-Diät
Somit gibt es, den diversen Empfehlungen aus dem Internet und Büchern zum Trotz, keine allgemeingültige Anti-Krebs-Diät. Gewissen Lebensmitteln wie Knoblauch, Thymian oder Kurkuma wird aufgrund positiv wirkender Substanzen gar eine krebsheilende Wirkung zugeschrieben. Die Mengen der entsprechenden Substanzen, die wir über diese Lebensmittel aufnehmen können, sind aber viel zu gering für eine derartige Wirkung. Um sich vor Mangelernährung zu schützen, ist es wichtig, dass sich Betroffene von Fachpersonen beraten lassen.
Individuelle, bedarfsgerechte Ernährung
Erfolgversprechender ist eine bedarfsgerechte Ernährung, die auf die Bedürfnisse der betroffenen Person eingeht. Deshalb erhalten alle Patientinnen und Patienten der onkologischen Abteilung in Gais eine Ernährungsberatung. Im interdisziplinären Team aus Ärzten, Pflegefachpersonen und der Ernährungsberatung wird für die Betroffenen ein individueller Ernährungsplan festgelegt. Dieser wird während der Reha regelmässig überprüft und auf den aktuellen Zustand der betroffenen Person angepasst. In der Akutphase der Erkrankung steht oft der Aufbau mithilfe von hochkalorischen Mahlzeiten im Fokus, weshalb zu diesem Zeitpunkt auch mit Sondernahrung gearbeitet wird. Auch Zwischenmahlzeiten, die zusätzliche Energie liefern, spielen in dieser Phase eine wichtige Rolle.
Die Theorie in Vorträgen, die Praxis in der Lehrküche
In der Klinik Gais werden den Patientinnen und Patienten neben der individuellen Beratung auch Vorträge in der Gruppe angeboten, die allgemeingültige Tipps rund um das Thema Ernährung vermitteln. Die Betroffenen haben zudem die Möglichkeit, in der hauseigenen Lehrküche das Gelernte praktisch umzusetzen, indem etwa das Zubereiten energiereicher Zwischenmahlzeiten geübt wird. Ernährungsberater Oliver Schlatter ist zudem auch im Speisesaal für die Patientinnen und Patienten da und beantwortet ihnen direkt am Buffet offene Fragen.
Zur Person
Oliver Schlatter hat an der ältesten deutschen Schule für Diätetik, der SRH in Heidelberg, seine Ausbildung absolviert, wo er auch heute als freier Dozent tätig ist. An der Hochschule in Fulda hat er das Zertifikat für Ernährungspsychologie erlangt und leitet heute die Ausbildung der Diätköche am Wirtschaftsförderungsinstitut in Vorarlberg.