Webapplikation «SELBA» in der Klinik Gais eingeführt
Die Klinik Gais hat gemeinsam mit ihren Forschungspartnern eine App für Patientinnen und Patienten entwickelt, die sich aufgrund einer arbeitsbezogenen Stresserkrankung in psychiatrischer oder psychosomatischer Behandlung in der Klinik befinden. Nach der zweijährigen Entwicklungsphase wurde «SELBA» Anfang 2023 in der Klinik eingeführt. Die Betroffenen können damit – auch nach dem Klinikaufenthalt – ihre Arbeitsbelastung und ihren Stresslevel erforschen und beobachten, individuelle Warnsignale frühzeitig erkennen und darauf reagieren. Das Ziel dabei ist, die Resilienz zu steigern und eine Wiedererkrankung zu vermeiden.
Bei der App handelt es sich um eine Webapplikation mit dem Namen «SELBA – Selbst Arbeitsbelastungen und Arbeitsbeanspruchungen erkennen, verstehen, verändern und monitoren». Die Zielgruppe sind Personen, die bei der Arbeit psychosozialen Risiken ausgesetzt sind und unter stressbedingten Erkrankungen leiden. SELBA ist als Ergänzung zu den klassischen Therapieformen konzipiert und wird sowohl während als auch nach dem Klinikaufenthalt begleitend genutzt.
Beobachten, Frühwarnzeichen erkennen und Wiedererkrankung vermeiden
Die Patientinnen und Patienten der Klinik Gais sollen insbesondere dazu ermutigt werden, im Nachsorgeprozess bei sich selbst Gefährdungssituationen zu erkennen und diesen aktiv entgegenzuwirken. Dazu lernen sie in der Klinik den Umgang mit der interaktiven Webapplikation und passen sie individuell an die eigenen Bedürfnisse an. So können sie etwa persönliche Stressoren definieren sowie den eigenen Umgang damit reflektieren und beobachten.
Dabei werden die Patientinnen und Patienten auch befähigt, strukturelle Arbeitsbelastungen in den Blick zu nehmen. Hilfreich ist hierbei auch die strukturierte Übersicht über Ressourcen, Ziele und Aktivitäten sowie eine Benachrichtigungsfunktion, die an das regelmässige «Monitoren» erinnert. Dabei werden die Betroffenen durch ihre selbst definierten Fragen und Situationsanalysen geführt und halten so den jeweiligen Ist-Zustand fest. Verschiedene Grafiken bilden anhand von Kurven die gemachten Angaben übersichtlich ab.
Damit bietet die SELBA-Webapplikation die Möglichkeit, dass sich Patientinnen und Patienten als aktiv Forschende ihrer eigenen Lebenslage erfahren und sich Therapieinhalte auch zwischen Therapiesitzungen vergegenwärtigen. Dazu können in SELBA passende Videos, beispielsweise Entspannungsübungen oder Sporteinheiten, gespeichert und als Aktivität eingeplant werden. All dies mit dem Ziel, dass sich die Resilienz der Patientinnen und Patienten steigert, ihr persönliches Wohlbefinden wächst und einer Wiedererkrankung entgegengewirkt wird.
Erfolgreiche Einführung und positive Rückmeldungen
Thomas Egger, Co-Chefarzt Psychosomatik und Psychiatrie in der Klinik Gais, hat das Projekt klinikseitig geleitet und freut sich über die erfolgreiche Einführung: «SELBA unterstützt unsere Patientinnen und Patienten sehr gut dabei, ihre spezifische Lebenslage über einen längeren Zeitraum zu beobachten. Mittlerweile haben wir die App weitgehend bei allen Patientinnen und Patienten im Einsatz und haben gute Erfahrungen gemacht. Sie ist intuitiv zu bedienen und die Betroffenen lernen, ihre ganz persönlichen Frühwarnzeichen zu erkennen und zu deuten. Was wir ebenfalls sehr schätzen, ist die Möglichkeit, eine Person – wenn sie dies möchte –, auch nach ihrem Austritt weiter zu betreuen, indem wir die Entwicklung in der App beobachten und gegebenenfalls Kontakt aufnehmen, wenn wir bestimmte Alarmsignale erkennen. Hier gab es bereits einige sehr positive Reaktionen. Die Menschen schätzen es, wenn sie Strategien an die Hand bekommen und sich begleitet wissen.»
Potenzial von SELBA in der betrieblichen Gesundheitsförderung
Die Webapplikation SELBA birgt aber noch weiteres Potenzial, wie Alexander Scheidegger, der das Projekt vonseiten der Ostschweizer Fachhochschule leitet, betont: «Es freut uns, dass wir dieses innovative Projekt mit der Klinik Gais umsetzen konnten, wo unsere Forschungsergebnisse direkt den Patientinnen und Patienten zugutekommen. Daneben kann SELBA auch sehr gut als Vorsorgeinstrument dienen, das Unternehmen ihren Mitarbeitenden in die Hand geben. Deshalb sehen wir als nächsten Schritt weitere Anwendungen des Selbstmonitorings in der betrieblichen Gesundheitsförderung.»
Das Projekt
SELBA ist ein von Innosuisse gefördertes zweijähriges Forschungsprojekt des interdisziplinären Teams der OST – Ostschweizer Fachhochschule (Institut für Modellbildung und Simulation IMS und Institut für Soziale Arbeit und Räume IFSAR) in Zusammenarbeit mit den Umsetzungspartnern Opinion Games GmbH und der Klinik Gais AG als Anwendungspartner. Das Projekt stützt sich auf die Erkenntnisse des Innosuisse-Vorprojekts «Selbstmonitoring von Patienten mit Depressionen und anderen arbeitsbezogenen Stressfolgeerkrankungen» und einem SNF Grundlagenforschungsprojekt ab, welches sich ebenfalls mit psychosozialen Risiken in der Arbeitswelt auseinandersetzte und auch in der Kooperation mit der OST und der Klinik Gais erarbeitet wurde.
Die Hintergründe
Die Anforderungen an die Sorge- und Erwerbsarbeit sowie die damit verbundenen subjektiven Stressempfindungen nehmen in der Schweiz stetig zu. Dies hat unter anderem auch arbeitsbezogene Stresserkrankungen zur Folge, die sich nicht nur negativ auf persönliche Lebensbereiche auswirken, sondern auch wirtschaftliche Mehrkosten mit sich bringen. Zudem besteht das Risiko einer Wiedererkrankung, da die Patientinnen und Patienten nach einem stationären Klinikaufenthalt wieder in ihren Alltag zurückkehren und sich wieder den belastenden Sorge- und Erwerbsarbeitsbedingungen ausgesetzt sehen. Die mitunter mangelnde oder unzureichende psychotherapeutische Nachsorge von Patientinnen und Patienten verstärkt diesen Effekt zusätzlich. Die SELBA-Webapplikation soll dazu beitragen, Gefährdungszeichen und Konstellationen frühzeitig zu erkennen und aufzuzeigen, um Patientinnen und Patienten zu befähigen, ihre Ressourcen zu aktivieren oder sich die nötige Hilfe zu holen.
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