Rita M. ist 38 Jahre alt und gelernte Verwaltungsfachangestellte. Sie ist seit 15 Jahren verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von 11 und 13 Jahren. Seit einiger Zeit bemerkt sie, wie ihr nicht nur die Arbeit in ihrer Teilzeittätigkeit mit einem Pensum von 60 Prozent zunehmend schwerfällt, sondern es ihr auch nicht mehr gelingt, sich an den Wochenenden und in den Ferien ausreichend zu erholen.
Nicht nur die Hausarbeit und die Versorgung der Kinder stellt eine immer grössere Last für sie dar. Auch die Freude an Dingen, die ihr sonst die Gelegenheit boten, wieder Kraft für den beruflichen und privaten Alltag zu sammeln, geht ihr zunehmend verloren. Beispielsweise treibt sie kaum noch Sport, sagt zunehmend Verabredungen mit Kolleginnen und Familie ab und hat vor kulturellen Aktivitäten sogar Angst entwickelt.
Nach einem Zusammenbruch in der Arbeit wendet sich Rita M. an ihren Hausarzt, der eine mittelschwere Depression feststellt und ihr eine stationäre Behandlung in der psychosomatischen Abteilung der Klinik Gais nahelegt. «Die Depression ist eine Erkrankung, die nicht nur unsere seelische Gesundheit beeinträchtigt, sondern oft gleichermassen auch unsere geistige und körperliche Befindlichkeit schwer in Mitleidenschaft zieht. Neben den Kernsymptomen wie stark gedrückter Stimmung, einem Verlust von Freude und Interesse, dem Gefühl der Gefühllosigkeit und mangelndem Antrieb sind häufig die Beeinträchtigung von Konzentration und Gedächtnis, stark eingeengtes Denken und nicht zielführendes Grübeln, massive Schlafstörungen und diverse körperliche Symptome der Regelfall», weiss Dr. med. Frank Zimmerhackl, Chefarzt Psychosomatik und Psychiatrie der Klinik Gais.
Verhaltensmuster erkennen und einordnen
Rita M. beginnt ihre stationäre Behandlung, und ihre grossen Ängste und Zweifel verfliegen schon in den ersten Tagen. Sie bemerkt, wie entlastend es ist, aus den beruflichen und privaten Verpflichtungen herausgenommen zu sein und sich in Ruhe mit ihrer Erkrankung auseinandersetzen zu können. In den psychotherapeutischen Gesprächen lernt Rita Zusammenhänge zwischen Krankheitssymptomen, eigenen Verhaltensmustern, Einflüssen aus ihrer privaten und beruflichen Umwelt und mögliche Behandlungsformen kennen, der Austausch mit ähnlich betroffenen Patienten macht ihr Mut, mit ihrer Erkrankung nicht alleine zu sein. In den Bewegungstherapien gelingt es ihr, wieder langsam Vertrauen in sich selbst und ihre Leistungsfähigkeit zu gewinnen, die Entspannungstechniken helfen ihr, sich in belastenden Situationen abzugrenzen und wieder besser zu schlafen.
Die beiden wichtigsten Säulen der Behandlung einer Depression – nämlich die Gabe von Medikamenten und spezielle Formen der Psychotherapie – werden bei einer stationären Behandlung durch zahlreiche Therapieverfahren ergänzt. «Eine Depression entsteht nie durch nur einen alleinigen Faktor, sondern besitzt mehrere Ursachen bzw. Auslösefaktoren. Deshalb basieren die Behandlungsprinzipien darauf, dass jeder Patient auf unterschiedliche Therapieverfahren unterschiedlich gut anspricht. Oft ist aber nicht im Voraus bekannt, was und welche Kombination am besten wirken. Im stationären Rahmen mit einer hohen Therapiedichte kann das Ziel, für jeden Patienten einen individuellen und wirksamen Behandlungsplan zu erstellen, am effektivsten erfolgen», so Dr. Zimmerhackl.
Therapien über das Stationäre hinaus
Nach einigen Behandlungswochen fühlt sich Rita M. wieder deutlich besser. An den letzten Wochenenden, die sie zu Hause verbracht hat, merkt sie, wie ihr bereits vieles wieder leichter fällt, aber auch, dass es manches zu beachten gilt, um nicht wieder zu rasch in eine Überforderung zu geraten. Ihr behandelnder Psychologe und ihr Arzt haben deshalb mit ihr besprochen, dass es zunächst Sinn macht, in einem reduzierten Pensum, aber bald nach der Entlassung aus der Klinik wieder mit der Arbeit zu beginnen. Ihr Ehemann wurde in einem gemeinsamen Gespräch informiert, wie er seine Frau daheim unterstützen und auf eine möglicherweise wieder eintretende Zustandsverschlechterung aufmerksam machen kann. Viele der Therapien können über die stationäre Behandlung hinaus auch ohne therapeutische Begleitung fortgesetzt werden. Dr. Zimmerhackl fügt hinzu: «Das Behandlungsprogramm der Klinik Gais zielt gleichermassen auf die Linderung von Depressionssymptomen und auf den Wiedergewinn von Lebensqualität und Funktionalität im Alltag ab.»
Die vier Säulen der Gesundwerdung und -erhaltung spielen gerade für psychisch erkrankte Menschen, aber auch für Gesunde oder noch nicht Erkrankte mit einer Veranlagung eine ganz entscheidende Rolle (siehe auch untenstehende Grafik und Tipps zur Erhaltung Ihrer psychischen Gesundheit auf Seite 22).
In der aktuellen Corona-Krise sind vor allem diese psychosozialen Schutzfaktoren oftmals ausgehebelt. Arbeitsplatzverluste, Kurzarbeit, Homeoffice, mangelnde soziale Kontakte, reduzierte Tagesstrukturen, stillstehende Kulturangebote und vieles mehr kann gesunde wie kranke Menschen zusätzlich belasten.
Die Sendung «Gesundheit heute» wird sich mit diesem Thema befassen. Die Sendung wird am 3. Oktober 2020 um 18.10 Uhr auf SRF1 ausgestrahlt. Sie können die Sendung ab diesem Zeitpunkt auch unter www.gesundheit-heute.ch/sendungen anschauen.